
Reproduziert mit freundlicher Genehmigung von FMEAplus Akademie
Das neue AIAG&VDA-FMEA-Handbuch hat frischen Wind in die FMEA-Praxis gebracht : Strikte Strukturierung, moderne Bewertungsregeln und starke Einbindung des Managements. Als das Handbuch 2019 veröffentlicht wurde, verfolgte es das Ziel, die Automobilindustrie dazu zu bewegen, den Status quo in Frage zu stellen und ihre Analysen zu überdenken. Dieses Ziel wurde in Frankreich weitestgehend erreicht. Das neue Handbuch verändert die bisherigen Vorgehensweisen grundlegend: es ist nicht möglich, eine neue Studie durch einfaches Kopieren und Einfügen der vorherigen Analysen zu starten.
Knowllence, ein Unternehmen der Bassetti-Gruppe, das Softwarelösungen anbietet, analysiert die Auswirkungen und Trends der letzten fünf Jahre auf dem französischen Markt.
- Nach der Veröffentlichung der ersten Auflage des FMEA-Handbuchs im Juni 2019 stellte EURO-SYMBIOSE, offizielle Lizenznehmerin des VDA in Frankreich, schon bald darauf eine französische Übersetzung zur Verfügung, um den französischen Teams den Zugang zu erleichtern.
- Dank einer mehrmonatigen Vorlaufzeit wurde die von Knowllence herausgegebene webbasierte, auf Risikomanagement spezialisierte, Robust Engineering Software bereits im Sommer 2019 umfassend aktualisiert, damit die Industrieunternehmen umgehend ihre Compliance herstellen können.
- Auf dem französischen Markt gewährleisteten die einander ergänzenden Angebote von EURO-SYMBIOSE und KNOWLLENCE Kontinuität und Kohärenz bei der Begleitung: Schulung zum Handbuch, Coaching und Effizienz durch die Integration einer webbasierten Softwarelösung.
- Die ersten in der Branche, die sich auf den Wandel vorbereiteten, waren die international tätigen Tier-1-Zulieferer, die die Strukturierung aus dem FMEA-Handbuch des VDA bereits kannten.
- Die französischen Hersteller brauchten einige Jahre, um das neue Regelwerk zu übernehmen. Nach der Fusion von FIAT CHRYSLER und PSA (PSA hatte OPEL übernommen) war die STELLANTIS-Gruppe der erste französische Hersteller, der das AIAG&VDA-Handbuch 2021 in seine CSR integrierte.
- Seit 2023 werden die IATF-Auditoren in der Nutzung des AIAG&VDA-Handbuchs geschult. Die generelle Einführung der FMEA-Anforderungen in CSR führt dazu, dass auch Tier-2- und Tier-3-Lieferanten auf den neuen Standard umstellen. Die Praktiken werden auf andere Branchen, wie z. B. die Luftfahrt ausgeweitet, oder in Branchen (Automobilindustrie, Medizinprodukte und andere Industriezweige), die ihre unterschiedlichen Praktiken vereinheitlichen möchten.
Wir geben hier einen Überblick über die wesentlichen Schwierigkeiten, aber auch Chancen, die sich bei der Integration der spezifischen Anforderungen des AIAG&VDA-FMEA-Handbuchs ergeben haben.
- Zunächst sei daran erinnert, dass in Frankreich die Ausbilder im Allgemeinen auf der Grundlage der vierten Ausgabe des AIAG-Handbuchs geschult wurden, die eine vorsichtige Weiterentwicklung der dritten Ausgabe war. Es hatte also seit mehr als 20 Jahren keine tiefgreifende Veränderung gegeben. Die Einführung eines aus dem VDA-Handbuch übernommenen Analyseansatzes rund um die Begriffe Struktur, Funktionsnetz und Fehlerkette zwang die Ausbilder bzw. Kursleiter, eine neue Schulung zu konzipieren und die Durchführung zu überdenken.
- Die im AIAG&VDA- Handbuch vorgesehene Möglichkeit, mit neun Spalten (Schritte, 2, 3 und 4) in einer Tabelle zu arbeiten, hat einige Teams zu der fälschlichen Annahme geführt, dass es ausreichen würde, die neuen Spalten nachträglich auszufüllen, um die Konformität zu erreichen. Heute achten die IATF-Prüfer auf die Konsistenz der Analyse und stellen diese Praktiken in Frage.
- Das AP-Kriterium verzerrt die Bewertungsergebnisse, da es eine weniger differenzierte Zusammenfassung darstellt. Es wird als toleranter angesehen als die bisherigen RPI-Schwellenwerte.
- Andererseits bietet AIAG-VDA eine Vereinfachung für international tätige Unternehmen: eine Vorlage, eine Arbeitsweise.
- Was das Design anbelangt, so haben die französischen Ingenieure schon immer die Funktionsanalyse als Voraussetzung für das Design hervorgehoben. Ein Beispiel hierfür ist die Firma APTE, die in den 80er Jahren ein originelles Toolkit entwickelt hat, mit dem die Methoden der Funktionsanalyse kombiniert und durchgeführt werden können. Bei diesem Ansatz ist die Funktion der Ursprung des Bauteils und nicht umgekehrt. Animations- und Reflexionswerkzeuge wie „Oktopus“, „Funktionsblockdiagramm“ oder die „Funktionsanalyse-Tabelle“ werden bereits in den ersten Technologiekursen an französischen Universitäten und Schulen gelehrt.
Sie stellen auch eine Vorstufe zur Anwendung von Wertanalysen oder innovativen Designansätzen dar. Hervorzuheben ist auch die Rolle der französischen Teams in den Arbeitsgruppen, die Normen für funktionales Design wie ISO 26262 oder die Normen für funktionale Bemaßung ISO 8015 (für dimensionale und geometrische Spezifikationen) entwickelt haben. - Daher ist es wichtig, die Bedeutung des Paradigmenwechsels im AIAG&VDA FMEA-Handbuch, das mit der Strukturanalyse (Schritt 2) beginnt und dann zur Funktionsanalyse (Schritt 3) übergeht, zu verstehen. In einer Zeit der notwendigen technologischen Umbrüche, die durch Elektrifizierung, Wasserstoff, autonome Fahrzeuge oder Nutzungsänderungen hervorgerufen werden, kann es passieren, dass der vereinfachte Ansatz der Funktionsanalyse des AIAG&VDA-Handbuchs den Einen oder Anderen frustriert.
- Es war daher notwendig, Brücken zwischen den beiden Ansätzen zu schlagen und ihre Kompatibilität und Komplementarität aufzuzeigen. In den Softwaretools von Knowllence ist es daher möglich, sowohl mit dem strukturellen als auch mit dem funktionalen Ansatz zu beginnen : Arbeit nach Lebensphasen, klare Unterscheidung zwischen Servicefunktionen (externe Funktionen), technischen Funktionen (interne Funktionen) und Merkmalen. Es ist auch möglich, mit Blockdiagrammen nach Lebensphasen zu arbeiten und eine funktionale Ebene hinzuzufügen, die über die Identifikation von Schnittstellen hinausgeht.
–Thomas Vieille-Petit, Spezialist für FMEA- und Funktionsanalysen, Consultant und Schulungsleiter KNOWLLENCE, BASSETTI-Group